Die Stunksitzung der aktuellen Session feierte Premiere – dreieinhalb Stunden lang. Und das Ensemble heimste sich für seinen alternativen und bissigen Witz, der keinen aus Politik und Gesellschaft verschonte, langen Applaus ein.
Das Jahr 2024 hat genug Stoff gebracht, an dem sich die Stunksitzung in ihrer Sitzung der aktuellen Karnevalssession abarbeiten kann. Die alternativen Karnevalisten verschonen keinen aus Politik und Gesellschaft – und das mit viel Elan, Freude und vor allem bissigem Witz. Dabei wieder unterstützt von der Hausband Köbes Underground. Zur Premiere gab’s nach dreieinhalb Stunden Sitzung im E-Werk langen Beifall.
Nein, über die AfD wollen sie in diesem Jahr keinen Sketch machen. Das stellen die Stunker gleich zu Beginn ihres Programms fest. Obwohl es dafür Gründe genug gibt, die sie dann auch aufzählen: Rassismus, Islamhetze, keine Reichensteuer – um nur einige zu nennen. Außerdem: Gebracht habe es ja auch nichts, wie die letzten Landtagswahlen zeigen.
Länger ist später die positive Liste der Ampelerfolge wie Erhöhung des Mindestlohns und jüngst des Kindergeldes, das Lobbyregister oder das Deutschlandticket – um auch hier nur einige zu zitieren. Aber Karnevalisten müssen in unruhigen Zeiten eben manchmal auch das Positive nennen. Wofür es dann auch Beifall gab.
Ein köstlicher Spaß
Wenig Positives gibt es von der Stadt Köln und deren Gleichgültigkeitsbeauftragten zu berichten, die in ihrem Büro hinter einem Berg von Akten verschwindet und dort nicht nur die schleppende Opernsanierung verwaltet. Bei deren Kostensteigerung liege man leider hinter Stuttgart 21 und dem Flughafen Berlin zurück.
Es sind unruhige Zeiten – dafür sorgt unter anderem der zunehmende Männlichkeitswahn. Testosteron gesteuert etwa die FDP-Politik, die von steuerbefreiten Millionären und SUV-Besitzern ein Begrüßungsgeld versprechen, wenn diese in die abgeschafften Fußgängerzonen fahren. Beim „Karneval der Diktatoren“ treten Trump, Xi Jinping und Putin auf. Beim Tanz verheddern sie sich immer wieder in den eigenen Genitalien und denen der anderen, die ihnen bis auf den Boden herabhängen. Ein köstlicher Spaß und alles andere als ein vorsichtiger „Eiertanz“.
Ebenso wie die bloße Nonsensnummer, bei der die Gletscherleiche Ötzi als Türke erkannt wird, die das Jodeln in die Alpen gebracht hat – natürlich das türkische, was das gesamte Ensemble perfekt beherrscht. Hintersinniger Nonsens dann der Streit zwischen dem Döner- und dem Gyrosverkäufer um Kundschaft. Gegen die Currywurst haben sie dann das Nachsehen.
Trude Herr fällt vom Himmel
Es fällt schwer, aus dem gut eingespielten elfköpfigen Ensemble Einzelne herauszuheben. Zwei Ausnahmen seien hier gestattet: Ozan Akhan, der die Hits von Elvis Presley – der Rockstar hätte im nächsten Jahr seinen 90. Geburtstag gefeiert – auch in spanische oder griechische Folklore übertrug. Und natürlich Biggi Wanninger, die wieder als Trude Herr vom Himmel, in der alle Religionen abgeschafft wurden, fiel und über Rassismus schimpfte. Als Sitzungspräsidentin hatte sie das Publikum fest im Griff.
Aktuelle soziale Wandlungen lassen auch den Karneval nicht ungeschoren. Etwa der Trend zur Work-Life-Balance. Was soll der Sitzungspräsident machen, wenn der Elferrat sein Recht auf Teilzeit- und Gleitzeitarbeit wahrnimmt? Oder Büttenrednerin und Tanzmariechen im Homeoffice arbeiten? Da bleibt dem Tanzmajor nur, seine Partnerin per Tablet in die Höhe zu stemmen.
Doch untergehen wird der Kölner Karneval nicht. Gibt es doch Dank der Stunker ein neues Korps: das Schottische. Eine Ehrung an all die trinkfesten schottischen Schlachtenbummler, die zur Fußball-EM nach Köln kamen. Dafür haben einige Stunker sogar Dudelsack und Highland Dancing gelernt. Was dann in den lang anhaltenden begeisterten Schlussapplaus überging. (JS)